Master Cheng in Pohjanjoki (2019)

28. Juli 2020 | Filmkritik | Michael Brandtner

Mit Filmen wie Der Mann ohne Vergangenheit (2002) und Le Havre (2011) ist Aki Kaurismäki der wahrscheinlich berühmteste Regisseur Finnlands. Sein Bruder Mika hingegen ist vergleichsweise unbekannt, obwohl auch er seit über 40 Jahren erfolgreich Filme dreht. Sein neustes Werk, die Tragikomödie Master Cheng in Pohjanjoki, kommt am Donnerstag in die deutschen Kinos.

Poster Master Cheng in Pohjanjoki
© MFA+ FilmDistribution

Kartoffelstampf und Fleisch – die Einheimischen der finnischen Provinzstadt Pohjanjoki sind mit der kulinarischen Auswahl der örtlichen Raststätte vollkommen zufrieden. Doch als ein Bus voll chinesischer Touristen auf den Hof fährt, sieht sich die junge Gastwirtin Sirkka (Anna-Maija Tuokko) schnell mit der Frage konfrontiert, ob es nicht auch etwas anderes gäbe. Zu ihrem Glück ist wenige Tage vorher ein ausgebildeter Koch aus Shanghai in ihrem Lokal aufgekreuzt. Cheng (Pak Hon Chu) kredenzt den Gästen kurzerhand ein köstliches Nudelgericht.

Mika Kaurismäkis Tragikomödie kombiniert geschickt unterschiedliche Sub-Genres der Tragikomödie: Protagonisten, die von außen in eine konservative Gemeinschaft kommen und dieser neue Impulse geben (Beispiel: Pride [2014]), amüsante Missverständnisse durch das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen (Beispiel: My Big Fat Greek Wedding [2002]) und Filme, deren Protagonisten kulinarische Köstlichkeiten schaffen, die eine besondere Wirkung auf ihre Konsumente entfalten (Beispiel: Chocolat [2000]). Kaurismäki und sein Autor Hannu Oravisto geben sich jedoch Mühe, dem Film abseits dieser altbekannten Strukturen etwas mehr Tiefe zu verleihen. Dies gelingt ihnen nicht unbedingt auf der Plot-Ebene (die dramatischen Aspekte der Handlung lösen sich hierfür allzu schnell in Wohlgefallen auf), jedoch in der Charakterisierung der Hauptfiguren.

Cheng und Sirrka am See
Cheng und Sirrka kommen sich näher
© 2019 MARIANNA FILMS OY, BY MEDIA, HAN RUAN YUAN HE

Im Lauf der Geschichte erfährt das Publikum nämlich, warum Cheng mit seinem Sohn Nunjo (Lucas Hsuan) nach Finnland kam. Nach dem tötlichen Fahrradunfall seiner Frau geriet Cheng in Shanghai in finanzielle Schwierigkeiten. Unerwartete finanzielle Unterstützung erhielt er dabei von einem finnischen Stammgast seines Restaurants. Als es Cheng schließlich gelang, wieder auf eigenen Füßen zu stehen, beschloss er, mit Nunjo nach Finnland zu reisen, um Fongtron zu finden und diesem seine Schulden zurückzuzahlen. Cheng wird als bescheiden und hilfsbereit charakterisiert, doch auf der anderen Seite fällt es ihm schwer, auf die Bedürfnisse seines Sohnes einzugehen, der die meiste Zeit des Tages mit einem Spiel auf seinem Smartphone verbringt. Sirkka sieht diese Probleme und versucht ihr bestes, positiv auf die Vater-Sohn-Beziehung einzuwirken. Doch auch sie trägt einen Schicksalsschlag mit sich herum …

Diese Informationen werden zu einem großen Teil in einem Dialog zwischen Sirkka und Cheng in der Mitte des Films vermittelt. Diese Szene ist recht leicht als Mittel zum Zweck zu erkennen, den Figuren mehr Tiefe zu verleihen. So ist „die tragische Hintergrundgeschichte“ des Protagonisten ja schon fast ein Filmklischee. Dass diese Szene trotzdem funktioniert, liegt vor allem an den überzeugenden Darstellern, denen es gelingt, diesen Dialog natürlich auf die Leinwand zu bringen. Und so sind sie es im Endeffekt auch, die diesen Film über das Mittelmaß emporheben.

Fazit:

Master Cheng in Pohjanjoki ist ein nettes Feel-Good-Movie, mit dem man trotz einer eher vorhersehbaren Geschichte einen unterhaltsamen Kinoabend verbringen kann. Dafür sorgen insbesondere die beiden Hauptdarsteller, die ihren Figuren die nötige Glaubwürdigkeit verleihen.



Was andere schreiben

Für Oliver Armknecht von filmrezensionen.de ist der Film mit seinen fehlenden Konflikten zwischen den unterschiedlichen Kulturen „ein wenig zu gefällig.“ Der Film sei „ein Fall für Zuschauer und Zuschauerinnen, die sich einfach mal wieder zurücklehnen und glauben möchten, dass im Leben alles wieder gut werden kann.“

Auch für Stephanie Grimm von Kunst+Film „fehlt es der Geschichte grundsätzlich an Spannung“. Der Film plätschere „geruhsam und grundsympathisch dahin. Am Ende bleibt der Nachgeschmack, dass in einer solchen Geschichte einiges mehr steckt.“

Marius Joa von Vieraugen Kino ist da deutlich enthusiastischer. Für ihn Ist Master Cheng in Pohjanjoki ein „[f]ernab jeglicher Klischees eingefangener, wunderschöner, bisweilen märchenhafter Film über das Zusammenfinden einsamer Menschen“.



Wo man ihn sehen kann

Master Cheng in Pohjanjoki startet diesen Donnerstag (30. Juli 2020) in den deutschen und österreichischen Kinos. In der deutschsprachigen Schweiz ist er ab 20. August zu sehen. Eine DVD-Veröffentlichung ist für den 27. November angekündigt.