Die Filme von Pete Docter

31. Januar 2017 | Werkschau | Michael Brandtner

Heute vor 15 Jahren kam Die Monster AG in die deutschen Kinos. Der Pixar-Animationsfilm war das Regie-Debüt von Pete Docter, der zu diesem Zeitpunkt bereits seit über zehn Jahren zum Team des Studios gehörte. Der Film wurde ein großer Erfolg und so hat Docter seitdem für Pixar zwei weitere Kinofilme und einen Kurzfilm inszeniert. Die spannende Frage, die dieser Artikel beantworten soll, lautet dabei natürlich, ob diese eher zu den besseren oder eher zu den schlechteren Werken des Studios gehören.


Foto von Pete Docter (nicolas genin, CC BY-SA 2.0)
66ème Festival de Venise (Mostra)
von nicolas genin
Lizenz: CC BY-SA 2.0
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Pete Docter machte 1990 seinen Abschluss am California Institute of the Arts und begann daraufhin als Animator für Pixar zu arbeiten. Das Studio hatte bis zu diesem Zeitpunkt nur Kurzfilme veröffentlicht und bestand aus gerade einmal zehn Mitarbeitern. Docters Talente wurden schnell erkannt und ihm wurden nach und nach immer verantwortungsvollere Aufgaben übertragen. Bei Pixars erstem abendfüllenden Spielfilm Toy Story (1995) war er einer der Autoren der Geschichte und leitete das Animationsteam. Nachdem er auch für die Fortsetzung an der Story mitgewirkt hatte, durfte Docter bei Die Monster AG schließlich erstmals auch sein Talent als Regisseur unter Beweis stellen.


Die Monster AG (2001)

Auch wenn Eltern täglich anderes behaupten: Es gibt sie tatsächlich, die Monster unter den Betten und in den Kleiderschränken ihrer Kinder. Eigentlich leben sie in Monstropolis, doch um die Stadt mit Energie zu versorgen, sind die gruseligen Bewohner auf eine besondere Energiequelle angewiesen: Die Schreie menschlicher Kinder. Diese zu beschaffen ist Aufgabe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Monster AG, die jede Nacht mithilfe von magischen Türen in die Kinderzimmer der Menschen eindringen müssen, um diese zu erschrecken und die Schreie in speziellen Behältern einzufangen. Zu den erfolgreichsten Teams der Firma gehören die beiden ungleichen Freunde Sulley und Mike. Doch eines Nachts passiert ihnen ein folgenreiches Missgeschick: Ein kleines Mädchen dringt durch das Portal in die Welt der Monster ein und bringt alles durcheinander …

Kreativ designte und liebenswerte Charaktere, viel gelungener Humor und auch einige rührende Momente machen Die Monster AG (Originaltitel: Monsters, Inc.) zu einem rundum gelungenen Regie-Debüt für Pete Docter. Lediglich die ausgedehnte Sequenz, in der die beiden Protagonisten eine magische Tür durch die Fabrik verfolgen müssen, passt in ihrer Action-Betontheit nicht so ganz in das Gesamtbild.


Mikes neues Auto (Kurzfilm, 2002)

Mike möchte Sulley sein neues Auto vorführen, doch bei dem Versuch, eine gemeinsame Spritztour zu unternehmen, geht alles schief, was nur schiefgehen kann.

Auf der 2002 veröffentlichten DVD von Die Monster AG begann eine Pixar-Tradition, die bis heute anhält: Als Bonusmaterial ist ein in der Welt des Hauptfilms spielender Kurzfilm enthalten. Mikes neues Auto, den Docter gemeinsam mit Roger Gould inszenierte, setzt hierbei ganz auf Slapstick mit für die Figuren schmerzhaften Folgen. Dadurch ist er zwar unterhaltsam, passt stilistisch aber nicht ganz zum Hauptfilm, der seinen Humor meist auf andere Weise erzielt.


Oben (2009)

Schon als Kinder träumen Ellie und Carl davon, dem berühmten Entdecker Charles Muntz nachzueifern und nach Südamerika zu fliegen. Als sie älter sind, verlieben sich die beiden und heiraten, doch den gemeinsamen Traum müssen sie immer wieder aufschieben. Noch als Rentner planen sie an der Reise, doch dann wird Ellie plötzlich krank und stirbt. Als das gemeinsame Haus abgerissen und der Witwer in ein Pflegeheim gesteckt werden soll, beschließt er, das Gebäude mit tausenden Heliumballons zu versehen und so allein das langersehnte Abenteuer anzutreten. So zumindest die Theorie, doch der verbitterte alte Mann bemerkt zu spät, dass sich just in dem Moment, in dem das Haus abhebt, der Pfadfinder Russell auf der Veranda befindet …

Seinen berührendsten Moment hat Oben (Originaltitel: Up) bereits zu Beginn: Die Montage, die das Eheleben von Ellie und Carl mit all seinen Höhen und Tiefen zusammenfasst, ist besonders für einen Animationsfilm außergewöhnlich emotional. Leider kann der Rest des Films mit diesem frühen Highlight nicht ganz mithalten. Das Abenteuer in Südamerika hat viel Spannung und Humor zu bieten, mag aber zu dem realistischen Beginn nicht wirklich passen. Spätestens in dem Moment, in dem Hunde am Steuer von Propellermaschinen auftauchen, hat der Film sich in eine Richtung entwickelt, die vom niveauvollen Beginn weit entfernt ist. Dennoch ist Oben rundum unterhaltsam und kann als Pixars erster 3D-Film auch optisch punkten.


Alles steht Kopf (2015)

In Rileys Kopf geht es drunter und drüber: Als das 11-jährige Mädchen mit seinen Eltern nach San Fransicso umzieht, fällt es ihren fünf Emotionen Freude, Kummer, Wut, Ekel und Angst schwer, ihre Arbeit in gewohnter Weise fortzuführen. Das Team wird normalerweise von Freude angeführt, doch die neue Situation lässt Kummer immer stärker in den Vordergrund rücken. Als Riley vor ihrer neuen Klasse zu weinen beginnt, bricht in ihrem Kopf vollends das Chaos aus und Freude und Kummer werden aus der Kommandozentrale ins Langzeitgedächtnis geschleudert. Während die beiden ungleichen Partner versuchen müssen zurückzukehren, plant Riley, nun nur noch von Wut, Angst und Ekel erfüllt, von zu Hause fortzulaufen …

Auch Alles steht Kopf (Originaltitel: Inside Out) beginnt mit einer rührenden Montage über das Leben von Riley und ihren Eltern. Doch im Gegensatz zu Oben hält Docter in seinem neuesten Film das hohe Niveau bis zum Schluss und liefert einen Familienfilm, der mit viel Einfallsreichtum, Spannung, Humor und Gefühl eine vielschichtige Story erzählt und mit einer wichtigen Message endet.

➡ Filmkritik zu Alles steht Kopf (2015)


Mit nur einer Handvoll Filmen hat Pete Docter bereits bewiesen, dass er zu den besten Animationsfilmern unserer Gegenwart gehört. Besonders zu begrüßen ist dabei die Entwicklung, dass jede seiner Geschichten mehr emotionalen Tiefgang hat als die vorherige. Docter zeigt, dass auch Kinderfilme ein hohes Niveau haben können, ohne das junge Publikum zu überfordern. Die spannende Frage ist dabei natürlich, ob er dieses Niveau auch in Zukunft halten kann. Auf die Antwort müssen wir jedoch eine Weile warten, denn in den kommenden Jahren sind bei Pixar erst einmal wieder andere Regisseure am Zug.